Interview des Leseclubs mit Rüdiger Bertram („Der Pfad – Eine Flucht in die Freiheit“) am 3.5.2022
Johanna Schlegel: Herzlich willkommen und vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview nehmen.
Rüdiger Bertram: Ich danke euch für eure Fragen.
Larasati Geyer: Herr Bertram, wie sind Sie zum Schreiben gekommen und speziell zum Schreiben von „Der Pfad“?“
Rüdiger Bertram: „Also für mich war mit ungefähr 13 Jahren klar, dass ich später etwas mit Schreiben machen möchte. Ich habe mir aber lange, lange nicht zugetraut, Bücher zu schreiben, und habe dann zuerst als Journalist gearbeitet. Das mit dem Bücherschreiben kam dann erst später dazu. Bei „Der Pfad“ war es so, dass ich zufällig die Autobiografie von Lisa Fittko in die Hände bekam. Darin erzählt sie, wie sie während des 2. Weltkrieges Flüchtlinge über die Pyrenäen nach Spanien gebracht hat. Darunter auch Kinder und da wusste ich: Ich möchte eine Fluchtgeschichte erzählen über diese Route mit Kindern in den Hauptrollen.
Paula Neuheiser: Wie lange haben Sie für das Schreiben von „Der Pfad“ gebraucht und wie aufwendig war es insgesamt?
Rüdiger Bertram: Das war für mich das aufwendigste Buch, das ich bisher geschrieben habe. Ich bin nach Marseille gereist, wo das Buch beginnt, dann weiter zu den Pyrenäen. Dort bin ich den Pfad gegangen, den auch die Leute damals gegangen sind, um nach Spanien zu kommen. Angefangen habe ich mit dem Drehbuch, das war im Februar 2013, danach habe ich den Roman geschrieben. Der erschien 2017, 2002 startete dann der Film in die Kinos. Es ist also ein langer, langer Weg gewesen.
Johanna Schlegel: Finden Sie, dass der Film gelungen ist, und hatten Sie Einfluss auf die kleinen Änderungen darin?
Rüdiger Bertram: Da ich an dem Drehbuch beteiligt war, hatte ich ja immer Kontrolle und wusste, was mich später im Kino erwarten würde. Deshalb bin ich sehr, sehr glücklich mit dem Film. Ich kenne aber auch Kollegen und Kolleginnen, deren Bücher verfilmt worden sind, die ihre Verfilmungen grauenhaft finden.
Anna Dines: Wie sind Sie auf die Idee mit den Comics am Anfang und am Ende gekommen?
Rüdiger Bertram: Ich hatte das Problem, dass das Buch 1940 in Marseille beginnt. Und ich wusste nicht, was kann ich bei einem jungen Leser voraussetzen, was weiß der über die Zeit, wenn er das Buch zufällig in die Hände kriegt. Warum sind Ludwig und Rolf in Marseille? Warum mussten sie Berlin verlassen? Ich hatte überlegt, ob ich ein Vorwort schreibe, vier bis fünf Seiten historische Einordnung, was vorher passiert ist, aber das ist langweilig, das will keiner lesen. Und dann bekam ich von einer Kollegin den Tipp mit dem Comic. Und weil ich schon ganz viele Comic-Romane mit dem Illustrator Heribert Schulmeier gemacht habe, habe ich ihn gefragt, ob er den Comic zeichnen würde. Ich glaube, es ist ein ganz guter Weg, auf zwei Seiten ein grobes Wissen vermittelt, warum die beiden fliehen mussten und wie viele andere in Marseille gestrandet sind.
Wolfgang Klenk: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Buch von Erich Kästner einzubauen, und welche Rolle spielt es, dass das Buch signiert ist?
Rüdiger Bertram: „Der 35. Mai“ spielt in „Der Pfad“ eine große Rolle. Das Buch hat Rolf in Berlin persönlich von Erich Kästner bekommen. Er hat es sogar für ihn signiert. Damit wollte ich zeigen, in welchen Kreisen sich Rolfs Vater in Berlin bewegt hat. Und dass Rolf dieses Buch auf der ganzen Flucht dabei hat, gibt ihm Sicherheit. An einer Stelle im „Pfad“ sagt Rolf sinngemäß: „Die ganz Welt hat sich verändert, aber im Buch steht immer noch die gleiche Geschichte und auf der Seite 75 steht immer noch der gleiche Satz rechts oben.“
Ich hatte zuerst überlegt, dass Rolf „Emil und die Detektive“ mitnimmt. Ich habe dann nach einem anderen Buch von Kästner gesucht. Ich kannte „Der 35. Mai“ vorher nicht, aber als ich es las, dachte ich: Das ist das perfekte Buch.
Larasati Geyer: „Ich wollte auch noch fragen – und zwar habe ich schon ein paar Ihrer Bücher gelesen: Welches finden Sie am besten?
Rüdiger Bertram: Von meinen?
Larasati Geyer: Ja.
Rüdiger Bertram: Ganz gemeine Frage. [Lachen von allen]. Stell dir vor, du hast eine Mutter mit 5 Kindern. Und du gehst zu der Mutter und sagst: „Welches ist dein Lieblingskind, also von deinen Kindern?“ Kriegst du dann eine Antwort? [Schulterzucken]. Oder meinst du sie sagt: „Die Tirana, die ist super und die anderen kannst du alle vergessen.“ Nein, die sagt bestimmt: „Ich mag alle meine Kinder gleich.“ Und meine Büchern sind ja auch wie meine Kinder und deswegen ist die Frage echt schwierig. Aber „Der Pfad“ ist auf jeden Fall das wichtigste Buch, was ich bisher geschrieben habe.
Johanna Schlegel: Vielen Dank für das Interview.
Rüdiger Bertram: Danke, dass ihr euch Zeit für mich genommen habt und mir eure Fragen gestellt habt.
Johanna Schlegel: Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute.
Rüdiger Bertram: Herzlichen Dank!